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Daniel Richter

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richter_4 Als das erste Mal Bilder von Daniel Richter in Hamburg gezeigt wurden, wurde behauptet, ein Schwarm Vögel hätte sein buntes Gefieder verdaut und als farbigen Dreck auf einer Leinwand hinterlassen. Dieses materialbewusste Klecksen war jedoch nur die Einstiegsdroge, die Eröffnung einer Wette, in der es darum gehen sollte, das Bild auf einen maximalen Überfluss von Farben und Malerei treiben zu lassen, eine Bedingung, die inzwischen ihre Bedingungen kennengelernt hat.
Kein Moment der Methode, kein Mittel tritt als beherrschendes hervor oder kürzt den Weg zum Ende ab und trotz dieser Entscheidung für die längere Strecke wurde verhindert, dass das Bild im Malprozess versackt. Die dichtgesetzten Farben behalten - mit allen Anzeichen eines langwierigen Herumtüftelns - ihre Klarheit; sie addieren sich zu einem intensiven Farblicht im Bildraum. Das erste und beste Zeichen dieser Bilder ist ihre Präsenz, ein Insistieren, das alle richter_1Erklärungen, alles Erkennen und Wiedererkennen überschreitet.
Durch die Methode hindurch, auch durch die offensichtlichsten Anzeichen des Einflusses anderer Maler, stellen sie sich als Beweise ihrer eigenen Wette auf - und insofern sind sie eine Antwort, nach der niemand gefragt hat.
richter_2 Während seiner Experimente mit Malstilen hat Daniel Richter das Malen des Bildes verlangsamt; es wurde gewissermassen zum Kriechen gezwungen, heruntergebracht auf die zähe und mühsame oder schmierige und belustigende Bewegungsform des Stoffs aus der Tube. Ein Geflecht materieller Anspielungen begleitet seitdem den Transport des Lichts durch die Farbe. Passagen, die sich allein aus den Gehversuchen am Material ableiten. Es heisst hier eben nicht nur blau, braun, gelb, es heisst auch flüssig, stumpf, erdrückt oder verzogen, und das Schwanken der Bedeutung, das Mass an Ungegenständlichkeit ist genau kalkuliert.
Deshalb lassen sich die Momente der Gegenständlichkeit im Dreieck der Versuchsanordnung Form-Farbe-Stoff nicht mehr genau verorten. Tropfen, Muster, Wellenringe, Knoten, Spritzer, Himmelblau, das Aufblicken irgendeines comicstripartigen Erstaunens, ein Strich als gemalter Strich, Farbflächen mit Verband und Helfern - all das sind Modifikationen der Zeit, eines Durchgangs, der unbestimmbar lange Moment des Versuchs, der seiner Festlegung vorausläuft.
richter_3 Der Malprozess ist ein unabgeschlossenes Intervall der Aufmerksamkeit, wie ein Blick, der ansetzt, sich zeigt, die Zeit seiner Bewegung betrachtet und dann auf dem Endpunkt einer Geschwindigkeitsmodulation verschwindet.
Daher lässt sich, auch wenn ein Bild abgeschlossen ist, nicht eindeutig bestimmen, wo es passiert. Natur wird hier, ebenso wie Schönheit, zum Referenten erst, wenn auch das Gegenteil enthalten ist oder wenn das Eintauchen in eine utopische Zivilisationslandschaft die Vorstellung von Natur völlig überflutet hat. Dann erst kehrt sie zurück als Vorbild des Überflusses und der Intensität, als Folge der Erfahrung, die Details, Unendlichkeit, Erstaunen und Erinnerung im selben Moment um sich herum ausstreut.
Die Bilder von Daniel Richter können schnell nicht wahrgenommen werden, weil sie den Blick in einen Zwischenraum schicken, wo ihm zwischen Erkennen und Nichterkennen keine Hilfe gegeben wird. Fortlaufend sieht er sich an ein Verstehen herangeführt und von ihm ferngehalten, befindet sich schon, wo er eigentlich erst zusammengesetzt wird. Für diesen Weg gibt es keine Abkürzung und kein Handbuch. Man kann aber das Fehlen einer Erklärung und die unvorhergesehenen Helligkeiten dieses insistierenden Materialismus auch als Aufschub ansehen oder als Zeit. Dafür muss man die Bilder ganz einfach nur ansehen.
Daniel Richter




Daniel Richter

  • Geboren 1962 in Eutin
  • 1992-96 Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg
  • Lebt und arbeitet in Berlin und Hamburg

    Stipendien und Preise:
  • 1997 Reisestipendium Kuba, Neue Kunst in Hamburg
  • 1998 Otto-Dix-Preis, Gera

    Einzelausstellungen (Auswahl)
  • 1998 Contemporary Fine Arts, Berlin
  • 1997 17 Jahre Nasenbluten, Contemporary Fine Arts, Berlin*
  • 1996 Galerie Jürgen Becker, Hamburg
  • 1995 Contemporary Fine Arts, Berlin

    Gruppenausstellungen (Auswahl)
  • 1998 Salon 98, Galerie Bärbel Grässlin bei Tishman Speyer Properties, im Messeturm, Frankfurt/Main
    Otto-Dix-Preis, Kunstsammlung Gera, Gera
  • 1997 Albert Oehlen, Kunsthalle Basel,
    Basel (CH)*
    Punch In Out, Kunsthaus Hamburg, Hamburg*
  • 1996 SammlungVolkmann: Faustrecht der Freiheit, Neues Museum Weserburg, Bremen; Kunstsammlung Gera, Gera*
    Malerei III, 1996, Galerie Monika Sprüth, Köln
  • 1995 Stützmappe a.k.a. support portfolio, Contemporary Fine Arts, Berlin
    Scharfer Blick, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn*

    [Gunda Förster] [Hans Hemmert] [Sabine Hornig] [York der Knöfel] [Michel Majerus]
    [Antje Majewski] [Olaf Nicolai] [Manfred Pernice] [Daniel Richter]

  • Maria Marangou,
    Birgit Hoffmeister:
    dank
    Maria Marangou:
    preface
    Birgit Hoffmeister:
    im wandel der zeit
    Peter Herbstreuh:
    hier und jetzt
    credits

    künstler der ausstellung:
    gunda förster
    hans hemmert
    sabine hornig
    york der knöfel
    michel majerus  
    antje majewski
    olaf nicolai
    manfred pernice
    daniel richter

    Sabel GUISSÉ
    Koh Tao: land for sale