|
Im Wandel der Zeit
Birgit Hoffmeister
In den letzten Jahren - nachdem die Stadt wieder zusammengekommen
ist - können wir in Berlin eine sehr lebendige junge Kunstszene
beobachten. Eine neue Künstlergeneration tritt auf, mit dem Anspruch,
einen wichtigen Beitrag zur Kunstdiskussion unserer Zeit zu liefern.
Gefördert wurde diese Entwicklung auch durch die Entstehung junger
Galerien, die sich vorwiegend in Berlin Mitte etabliert haben,
dem Standort für junge Kunst. Alles spielt sich in einem engen
Radius um die Auguststraße ab, die Zentrum und Pulsader dieser
Gegend ist. Die hier entstandene Konzentration, die immer wiederkehrenden
Events und Eröffnungen haben ein Spannungsfeld erzeugt, das in
seiner Art sicherlich einmalig ist, und dem sich auch Sammler
und Besucher nicht entziehen können. Das Engagement von Galeristen
und Sammlern hat diese jungen Künstler über die Grenzen Deutschlands
hinaus bekannt gemacht und auch international eine grosse Neugier
auf Berlin geweckt.
Diese Entwicklung ist Hintergrund für die Ausstellung MADE IN
BERLIN. Es geht um den Einblick in die Kunst einer Stadt, die
einen rasanten Wandel durchlebt. Vielfältige Befindlichkeiten
spiegeln sich im Künstlerischen wie im Historischen wieder. Man
könnte Berlin auch als ein Laboratorium bezeichnen, in dem vor
allem neue Fragen gestellt werden und neue künstlerische Ansätze
entstehen. Ein wichtiger Aspekt dieser Dynamik ist unter anderem
die Anziehungskraft, die Berlin auf zahlreiche Künstler aus ganz
Europa und vielen anderen Ländern ausübt. Es ist der rege Austausch
unter den Künstlern, aber auch die Auseinandersetzung mit der
Stadt und ihren Gegebenheiten, die diese ungewöhnliche Intensität
erzeugt. Dieser Entwicklung möchte die Ausstellung MADE IN BERLIN
nachspüren und gleichzeitig den Wandel der Zeit mit den Mitteln
der Kunst darstellen. Am Ende eines Jahrhunderts und an der Schwelle
in ein neues ist in der Kunst die Suche nach neuen Formulierungen
zu erkennen. Gewohntes und Tradiertes wird sowohl aufgegeben als
auch bewahrt. Es entsteht ein neuer Kosmos, gespeist unter anderem
aus dem Überangebot von Informationen und einer totalen Verfügbarkeit
aller künstlerischen Sprachen. Die Strategien der einzelnen Künstler
sind unterschiedlich. Um die junge Kunst, wie sie sich heute in
Berlin präsentiert, besser verstehen zu können, zeigt die Ausstellung
MADE IN BERLIN jeweils einen in sich schlüssigen künstlerischen
Vorschlag, der die individuelle Arbeitsweise vermittelt und deren
Code zu entschlüsseln versucht. Die Ausstellung konnte nur durch
einen intensiven Dialog mit den einzelnen Künstlern zustande kommen,
durch Atelierbesuche, die zu anregenden Begegnungen und Gesprächen
führten.
Kennzeichnend für die hier vertretene Generation ist, dass die
Künstler in unterschiedlichsten Medien arbeiten: Malerei, Fotocollage,
Objekt, Rauminstallation, Videoarbeit und Diaprojektion. Ihre
Arbeiten vertreten selbstbewusst einen Aufbruch in der Kunst,
die - über den ästhetischen Bereich hinaus - den Betrachter in
das Werk mit einbezieht und versucht, nachdenklich zu machen.
Zu sehen ist eine Kunst ohne Schnörkel, die kompromisslos für
sich steht und sich in neuem Gewand präsentiert. Oft steht man
einen Moment gebannt und denkt an des Kaisers neue Kleider und
man klatscht und jubelt, doch innerlich ist man irritiert und
wird sich bewusst, dass hier wirklich etwas ganz Neues entsteht.
Berlin und alles, was aus Berlin kommt, hat in dieser Zeit einen
ungewöhnlichen Bonus, da die Stadt geradezu emblematisch für den
jüngsten historischen Wandel steht. Zur Neugestaltung der Stadt
- Architektur, Politik, Wirtschaft - trägt auch wesentlich eine
neue Künstlergeneration bei, die dem Training der Fantasie Form
verleiht, an einem Ort, der sich nicht nur geographisch an der
exponiertesten Stelle Europas befindet. Berlin war immer eine
Stadt der Diskussion und des Widerspruchs, wegweisend in der Kunst
und Geburtsort für künstlerische Neuentwicklungen. Daran wird
heute in der Kunst wieder angeknüpft. Es herrscht eine neue kreative
Unruhe.
|
|
|